0

Nr. 30 Der Newsletter mit dem Kino-Tipp zusätzlich - Ihrer Buchhandlung Hübener

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

sprechen Sie Plattdeutsch?

Warum ich Sie mit dieser Frage so überfalle, hat einen Grund.

Letzte Woche war ich in Bremen im Kino und habe mir die Verfilmung von Dörte Hansens Buch "Mittagsstunde" in dem wunderbaren Kino "Gondel" in der Schwachhauser Heerstraße angeschaut. (In Bremerhaven kommt der Film am Mittwoch, den 9.11.2022 in das nicht minder wunderbare KoKi - www.koki-bremerhaven.de, in Bremen läuft er noch in der Schauburg und im Atlantis. weitere Informationen: https://tickets.mittagsstunde-film.de). In der Gondel lief - ich finde selbstverständlich - die plattdeutsche Version. Im Buch gibt es immer wieder plattdeutsche Sätze, die (ich habe gerade noch einmal nachgeschaut) tatsächlich nicht übersetzt werden. Vom Film sind zwei Versionen gedreht worden. Die plattdeutschen Szenen wurden noch einmal auf hochdeutsch wiederholt (also nicht synchronisiert). Mich hat überrascht, dass der Anteil der hochdeutschen Szenen recht gering ist. Aber gerade das macht den Charme dieser Version aus (es übrigens gibt Untertitel).

Ich kann nur empfehlen: Erst das Buch lesen, dann den Film anschauen. Es lohnt sich. Beides.

Deshalb meine Frage: Sprechen Sie Plattdeutsch?

Ich kann es ein bisschen sprechen (möchte mich aber nicht blamieren, wie die eine Besucherin im Film, Sie werden sehen, was ich meine), wir sind ja Zugezogene, aber alles verstehen. In meiner Kindheit, opp'n Dörp, sprach der Nachbar auf der einen Seite nur Plattdeutsch, die Nachbarin auf der anderen Seite fing mit uns Kindern auf Hochdeutsch an, fiel nach 1-2 Sätzen aber ins Plattdeutsche zurück. Lustigerweise habe ich das erst als Erwachsene gemerkt. Oder ging es Ihnen wie Mitschülern meiner älteren Schwester, die erst in der Schule Hochdeutsch lernten und es aufgrund ihrer damaligen Schwierigkeiten mit ihren Kindern lieber nicht sprachen? Oder wie meinem Mann, der sich erinnert, als kleines Kind unter dem Tisch gesessen zu haben und nichts verstehen konnte, wenn seine Eltern in der komischen fremden Sprache miteinander redeten?
Eine ehemalige Auszubildende hat Platt übrigens als dritte Fremdsprache während ihres Lehramtsstudiums an der Bremer Uni gelernt.

Oh, ich schweife wieder mal ab...
Also: Long Story short:
Lesen Sie Dörte Hansen (alle drei Bücher), gehen Sie ins Kino!

Dörte Hansen, Mittagsstunde
Penguin | 336 Seien | 12,00€

Ingwer Feddersen, Dozent für Frühgeschichte, lebt schon lange in Kiel, und zwar noch immer in der Wohngemeinschaft, wie zu Stundentenzeiten. Nun nimmt er sich ein Sabbatical, um sich um seine Großeltern zu kümmern, mit denen es gesundheitlich schon seit einiger Zeit bergab geht. Sein Großvater Sönke Feddersen betreibt, wie schon Generationen vor ihm, den Dorfkrug des kleinen Örtchens in Nordfriesland, mehr schlecht als recht, denn sein Enkel hat die Nachfolge schon vor Jahren abgelehnt und ist seinen eigenen Weg gegangen.  Als er nun zurückkommt, sieht er, wie sehr sich das Dorf seit seinen Kinder- und Jugendtagen verändert hat, aber auch, inwieweit die Zeit einfach stehen geblieben ist.
Dieses Buch muss man lesen. Die Beschreibung eines sterbenden Dorfes ist zutreffend und doch warmherzig. Die Menschen wachsen einem dermaßen ans Herz, dass ich die letzten Kapitel ganz langsam gelesen habe, weil ich einfach nicht wollte, dass diese so wunderbare Geschichte zu Ende geht.

Empfohlen von Silke Gutowski


Und nun zu unseren weiteren Buchtipps:

Politisch:

Robert Menasse, Die Erweiterung
Suhrkamp | 653 Seiten | 28,00€

Polen 1980er Jahre: Mateusz und Adam kämpfen gegen das kommunistische Regime. Nach dem Zusammenbruch macht Mateusz Karriere in der Politik, wird sogar polnischer Ministerpräsident. Adam ist in Brüssel zuständig für den Beitritt osteuropäischer Länder. In Vorbereitung auf eine Konferenz im polnischen Poznan, bittet Adam seinen Freund um Hilfe, doch der beginnt den Beitritt Albaniens zu unterminieren. Aus ehemaligen Freunden und Verbündeten werden Kontrahenten. Auf einem Ausflugsschiff mit allen wichtigen Beteiligten der Konferenz, kommt es zum Showdown.
Ich finde ja, dass Robert Menasse ein intellektueller Jonas Jonasson ist (der hat übrigens auch schon wieder ein neues Buch geschrieben, auf dass ich ganz gespannt bin: Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt). Durch Menasse sollte jeder EU Bürger verstehen, wie Bürokratie und persönliche Fehden auf akribische oder auch auf hinterfotzige Art und Weise ausgetragen werden können, wer dazu alles eingespannt werden kann oder könnte und wie ein brisanter Showdown funktioniert …

Empfohlen von Katja Müller


Traurig aber schön:

Jo Browning Wroe, Der Klang der Erinnerung
Insel | 413 Seiten | 24,-€

William Lavery feiert 1966 seine mit Auszeichnung bestandene Prüfung, als Einbalsamierer und Bestatter, als ihn die Nachricht erreicht, dass sich im walisischen Aberfan eine furchtbare Katastrophe ereignet hat. Die Abraumhalde einer örtlichen Kohlezeche ist nach massiven Regenfällen ins Rutschen gekommen und hat 144 Menschen unter sich begraben, darunter 116 Kinder. Man erbittet Hilfe, um die Toten auf die Identifizierung vorzubereiten. Mit zwei weiteren Bestattern aus Birmingham fährt William zum Unglücksort. Auf der Fahrt ruft ein Musikstück schmerzhafte Erinnerungen in ihm wach. Als Chorknabe in Cambridge soll er das Misere singen, doch er versagt. Dieses Ereignis führt zu einem tiefen Zerwürfnis mit seiner geliebten Mutter, so dass er im Haushalt seines Onkels, seines Zeichens Bestatter, aufwächst. Diese beiden Ereignisse beeinflussen ganz entscheidend sein weiteres Leben. Doch irgendwann muss man sich seinen Erinnerungen stellen.
Ein ungewöhnlicher Coming-of-Age Roman mit einem erschütternden Aufhänger, sehr liebevoll und zart geschrieben. Facettenreich wird geschildert, dass die Überwindung der eigenen Schuld möglich ist, wenn man sich mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt.

Empfohlen von Silke Gutowski


Tragisch aber lustig:

Olivia Kuderewski, Haha Heartbreak
Voland & Quist | 160 Seiten | 22,00€

Trennungen bedeuten Liebeskummer. Aber ist es wirklich das richtige Wort dafür? Das Herz ist gebrochen, die/der Ex-Partner*in ist der schrecklichste Mensch, den man kennt. Aus Liebe wird Hass, man heult den ganzen Tag, ist besessen von Unfall- oder Mordfantasien, braucht die beste Freundin quasi rund um die Uhr und überhaupt ist das Leben einfach zu ende.
Wer hat das nicht schon einmal mitgemacht?
In kleinen, sehr kurzen und lustigen Kapiteln folgt man Olivia Kuderewski durch ein Jahr der Trennung – mit Abstürzen, durchweinten Nächten (und Tagen), langen und kurzen Gesprächen mit Freunden und Nachrichten in unterschiedlichster Form auf technischen Geräten. Kurze Begegnungen, lange Austäusche und immer wieder Kerle, Kerle, Kerle. Ich habe mich sehr an die Zeit der 20er Jahre erinnert, als der Reifeprozess noch nicht so ganz beendet war und albern sein sehr dazu gehörte. Mir hat es unheimlich Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen – vielleicht auch nur, weil ich seit langer Zeit glücklich verheiratet bin?

Empfohlen von Katja Müller

Der Vollständigkeit halber:

Dörte Hansen, Zur See
Penguin | 256 Seiten | 24,00€

Woher kommt unsere Liebe zum Meer und die Sehnsucht nach einer Insel? Familie Sander lebt bereits seit fast 300 Jahren auf einer Nordseeinsel. Hanne hat sich immer geweigert, entweder abschiedswinkend oder sehnsuchtsvoll wartend an der Kaje zu stehen. Sie hat ihr Leben selbst in die Hand genommen und ihr Haus für Sommergäste geöffnet. Da störte ihr Mann, von See kommend, im Sommer nur. Deshalb ist er irgendwann auch gar nicht mehr gekommen und lieber Vogelwart im vorgelagerten Naturschutzgebiet geworden. Der gemeinsame älteste Sohn ist Seemann geworden, was auch sonst, doch mit der weißen Wand kam die Angst und der Suff. Tochter Eske hat rebelliert und konnte doch nur eines: auf die Insel zurückkehren. Nachzügler Hendrik war immer schon etwas seltsam. Ihn hat es nicht in die weite Welt gezogen. Er hat, als Einziger, die Insel nie verlassen. Sommergäste und reiche Zugezogene schätzen ihn als Künstler von Skulpturen aus Treibholz und anderen Fundstücken. Und die anderen Inselbewohner? Jeder passt sich auf seine Art an die Gezeiten und die Zeiten an.
Der lang erwartete dritte Roman von Dörte Hansen nach "Altes Land" und "Mittagsstunde". Mit großer Wärme, aber völlig unsentimental beschreibt die Autorin auch in diesem Buch einen Strukturwandel in einer über Jahrhunderte gewachsenen Gemeinschaft. Inselgäste und reiche Zweitwohnsitzwochenendler bescheren den Inselbewohnern ein wirtschaftliches Auskommen, dafür muss die Meer- und Inselromantik bedient werden mit Streifenhemden und Shantychor. Doch würde man wirklich zurückwollen zu den guten alten Zeiten?
Ein Muss für uns Küstenbewohner!

Empfohlen von Silke Gutowski


Krimi:

Andreas Gruber, Todesrache
Goldmann | 592 Seiten | 12,-€

Maarten S. Sneijder hat während des letzten Falls fast sein komplettes Team verloren und findet das Leben so nicht mehr wirklich lebenswert. Da bekommt er einen sehr kurzen, sehr merkwürdigen Anruf. Das Eichkätzchen meldet sich und spricht ihn mit seinem 2. Vornamen an. Kann das wirklich sein, lebt Sabine noch? In Sneijder erwachen die Lebensgeister, und er sucht Unterstützung bei Tina Martinek, die ja bei dem Einsatz mehr als nur Kollegen verloren hat und sich nun als Privatdetektivin selbständig gemacht hat. Die ersten Hinweise führen die beiden nach Ostdeutschland, nach Leipzig und Dresden. Und nun macht auch der Buchtitel mehr als Sinn: Maarten S. Sneijder (die Todesreihe) und Walter Pulaski (die Rachereihe) treffen aufeinander. Pulaski hat aber selbst mehr als beide Hände voll zu tun und ist nicht sehr begeistert von dem fordernden Auftreten Sneijders. Fans der beiden Reihen wissen, dass diese beiden Charaktere nicht wirklich gut harmonieren können. Aber es nützt nichts, denn mehr als nur ein Leben hängt davon ab, dass die beiden gut zusammenarbeiten.
Puuh, ist das spannend. Andreas Gruber kann es einfach!  Aber ein Jahr Wartezeit auf den nächsten Band ist echt gemein.

Empfohlen von Silke Gutowski


Krimi:

Horst Evers, Bumm!
Rowohlt | 288 Seiten | 22,00€

Ein Autor wird beschuldigt, seinen Nachbarn mit einem Korkenzieher ermordet zu haben, leugnet diese aber und schiebt sie seiner Romanfigur in die Schuhe. 1904 ermittelt ein Kriminalassistent in einer mysteriösen Mordserie und im Jahr 2043 kommt es zu einem Mord mittels genmanipulierter Mücken. Kriminalgeschichten, die auf den ersten Blick nicht miteinander zu tun haben, aber es gibt ein Geheimnis, das alle miteinander verbindet...
Wie immer gibt es bei Horst Evers lustige und absurde Dialoge, einfach zum Schmunzeln. Ich finde, keiner kann so gut menschliches Aufeinandertreffen in komischer Weise darstellen, sei es auf der Bühne, in Beschreibungen oder eben in Form des Dialogs. Dieses Mal werden ein Krimiautor und mehrere Kommissare in scheinbar unterschiedlichen Fällen und in unterschiedlichen Zeiten an den Rand der Verzweiflung getrieben. Ich glaube, ich hatte am Schluss des Buches Muskelkater vom Lachen.

Empfohlen von Katja Müller


Kinderbuch:

Stefanie Gerstenberger, Plötzlich vertauscht
Fischer | 400 Seiten | 16,-€

Isas neuer Mitschüler in der 7. Klasse Anthony ist der Schwarm aller Mädchen. Auch sie findet ihn cool, würde das aber natürlich nie zugeben. Er ist aber auch wirklich sehr geheimnisvoll. Als Isa dem kranken Anthony die Hausaufgaben vorbeibringen soll, kommt sie seinem Geheimnis mehr als nahe. Er lebt mit seiner Familie in ihrer alten, nun umgebauten Grundschule, und ist! Tänzer!!! Waaaaas? Wieso weiß das keiner? Und weshalb ist das eigentlich so schlimm? Isa ist neugierig und spioniert ein wenig im Gebäude rum. Da geschieht etwas Seltsames: als sie sich in einem alten Spind verstecken muss, sitzt da schon Anthony. Und durch einen blöden Umstand tauschen sie magischerweise die Körper! Das geht doch gar nicht. Isa kann doch nicht Anthony sein und Anthony nicht Isa. Doof nur, dass sich diese Tatsache nicht so einfach umkehren lässt. Da müssen die beiden sich schon ganz schön was einfallen lassen. Und wie ist das eigentlich mit der Familie und den Freunden? Wundern die sich, dass sich die beiden anders verhalten als sonst? Der Körpertausch hat aber auch gute Seiten, denn so finden beide heraus, warum der/die andere ist, wie er/sie eben ist.
Spannend und auch lustig herauszufinden, wie die beiden ihre eigenen Körper wiederbekommen.

Empfohlen von Silke Gutowski


Unsere nächsten Veranstaltungen:

Mittwoch, 16.11.2022 19 Uhr
Pferdestall Bremerhaven, Gartenstr. 5-7, 27568 Bremerhaven

Ulrike Herrmann »Das Ende des Kapitalismus« Vortrag & Diskussion


Vier halbe Amerikaner

Donnerstag, 17.11.2022 20.00 Uhr
Buchhandlung Hübener, An der Mühle 34, 275702 Bremerhaven

Carsten Tabel »Vier halbe Amerikaner«

Christian, Dana, Franz und Mitch sind halbe Amerikaner. Als vaterlose Kinder deutscher Mütter und amerikanischer Soldaten identifizieren sich die vier Freunde auf tragikomische Weise mit dem Land der Väter, das sich aus Amerikaerzählungen, Hollywoodfilmen und eigenen fantastischen Vorstellungen zusammensetzt. Als Christian zu Beginn der Semesterferien unverhofft ein Sparbuch in die Hände fällt, bricht er kurzerhand allein in die USA auf. Um seinen Vater zu finden? Um endlich ein ganzer Amerikaner zu werden? Und was wird aus seiner kaum gelebten Liebe zu Dana? Das verheißungsvolle Land präsentiert sich anders als erwartet und es beginnt eine abenteuerliche Reise, auf der er nicht nur seltsame Autohändler, freiheitsliebende Musikstudenten, Outdoor-Laden-Besitzer mit ungewöhnlichen Jobangeboten und eine besondere Ausreißerin kennenlernt, sondern sich vor allem fragt, was dieses richtige Amerika eigentlich sein soll – und wer er selbst ist. Ein Roadtrip-Roman, der die Dimensionen von Herkunft, Identität, Projektion und Erwachsenwerden umkreist.

Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, bitten wir um Anmeldung.

Weitere Informationen unter www.huebener.de/veranstaltungen


Das Beste, was dir im Leben passieren kann:
Wertschätzung und eine Buchhandlung um die Ecke.

Quelle: www.facebook.com/dumont.verlag


Beides wünschen Ihnen und sich
Ihre Buchhändler*innen

 

Jens Fleischer (Buchhändler und Inhaber)
Petra Riggers (Buchhändlerin)
Katja Müller (Buchhändlerin)
Silke Gutowski (Buchhändlerin)

Startseite

Buchhandlung Hübener 
An der Mühle 34
27570 Bremerhaven
Verkehrsnummer: 25982
www.huebener.de (inkl. Online-Shop)
www.facebook.com/BuchhandlungHuebener
www.instagram.com/buchhandlung_huebener

mail@huebener.de
Tel: 0471/32145
Fax: 0471/303907